Reinräume benutzen u.a. die Hersteller der Halbleiterindustrie und die Produzenten im Life-Science-Bereich, der im Wesentlichen den Bereich Pharma, Sterilproduktion in Laboren und Apotheken, Biotechnologie, Lebensmittel und artverwandte Bereiche umfasst. Speziell der Bereich der Herstellung von Arzneimittel und deren Wirkstoffherstellung ist durch die EU-GMP-Richtlinien und in Deutschland durch die AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungs-Verordnung) stark reglementiert. Betriebe dieser Art sind zulassungspflichtig und dürfen erst nach Erteilung einer Herstellungserlaubnis durch die Aufsichtsbehörden in Produktion gehen.

Für Betriebe der Lebensmittelindustrie gilt der IFS (International Food Standard) Version 6 vom Juli 2012 als verbindlicher Hygiene-Standard zur Beurteilung von Eigenmarkenlieferanten.

GMP ist die Abkürzung für Good Manufacturing Practice, „Gute Herstellungspraktik“. Darunter versteht man Richtlinien zur Qualitätssicherung der Produktion von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Medizinprodukten. Dies betrifft Personal, Räume und Einrichtungen, Dokumentation, und eine Reihe weiterer Qualitätssicherungsmaßnahmen in diesen Branchen. Produktion und Vertrieb von Arzneimitteln, Wirkstoffen und Medizinprodukten sind genehmigungspflichtig und werden durch die Aufsichtsbehörden überwacht (Inspektoren-Audit). Bei Mängeln kann der Entzug der Herstellungserlaubnis oder das Verbot des Exports in bestimmte Länder drohen. Wesentliches Ziel der GMP-Maßnahmen ist der Schutz der Produkte vor Kontamination durch Fremdpartikel (z.B. andere Wirkstoffe; man spricht hier von Vermeidung der Cross-Contamination) und Keime (Bakterien, Schimmel, Pilze, Pyrogene).

  • Europa: EU-GMP-Leitfaden mit Anhängen
  • Deutschland: AMWHV (Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung) zuständige Überwachungsbehörde: ZAB im Regierungspräsidium der Länder AbBetrO vom 5.6.2012, insbesondere §35
  • USA: Code of Federal Regulations (CFR) unter 21 CFR 210 und 21 CFR 211
    zuständige Behörde: FDA (Food and Drug Administration)

Abhängig von der späteren Anwendung müssen Arzneimittel in zugeordneten Hygienezonen unterschiedlicher Reinheitsklassen hergestellt werden.

Man unterscheidet:

Reinraumklasse

nach ISO 14644

Sonstige Bezeich- nungen

EU USA

Beispiele für Produktionsschritte in der jeweiligen Klasse
ISO 4.8 A 100 Aseptisches (Steriles) Herstellen und Abfüllen
ISO 5 B 1.000 Umgebungsbedingung um die Klasse A
ISO 7 C 10.000 Zubereitung von Lösungen und Abfüllung von Produkten
ISO 8 D 100.000 Zubereitung von Lösungen für anschließende Abfüllung für Sterilisation im Endbehältnis
ISO 9 „E“ Herstellung und Abfüllung nichtsteriler Lösungen und Salben
„F“ Herstellung und Abfüllung von Oralia (Tabletten, Kapseln, usw.)

„Der EU-GMP-Leitfaden, Annex 1 beinhaltet nur die Klassen A – D.“ Je kritischer das Produkt oder der Prozess, desto niedriger die benötigte ISO-Klasse.

Für jede ISO-Klasse gelten spezifische Anforderungen an Partikel- und Keimkonzentrationen, Raumluftaufbereitung und  -luftwechsel, Oberflächen von Räumen und Anlagen, Arbeitskleidung, Überwachung (Monitoring) und Dokumentation.

Der Übergang für Material und Personal zwischen Reinraum-Klassen ist nur über separate Material- und Perso- nalschleusen zulässig; diese sind in einem GMP-konformen Material- und Personalflußkonzept einzuplanen. Schleusen benötigen gegenseitige Verriegelungskonzepte für Türen und Tore (z.B. elektrisch mit Ampelsteue- rung). In Materialschleusen findet die Umwandlung (Reinigung) von Material statt, in Personalschleusen das Umkleiden, Händewaschen und Desinfizierens des Reinraumpersonals (und der Besucher).

Wie hoch dürfen zulässige (und nachzuweisende) max. Partikelkonzentration in der Raumluft sein:

gemessen werden die Partikelgrößen ≥ 0,5 µm und ≥5,0 µm in der Raumluft bei laufender Klimaanlage – und dies sowohl im Ruhezustand (keine laufende Produktion) als auch im Betriebszustand:

Ruhezustand

Betriebszustand

Reinraumklasse

maximal zulässige Anzahl von Partikeln / m³; gleich oder größer

0,5 µm

5,0 µm

0,5 µm

5,0 µm

A = ISO 4.8 3.520 20 3.520 20
B = ISO 5/7 3.520 29 352.000 2.900
C = ISO 7/8 352.000 2.900 3.520.000 29.000
D = ISO 8 3.520.000 29.000 nicht definiert nicht definiert

Um diese keimarme Luft zu erzielen, sind die Klimaanlagen der Reinräume mit mehrfachen Filtern unter- schiedlichen Abscheidegrades ausgestattet (F9-Filter mit 95 % Abscheidegrad bis zu H14-Filter mit 99,995 % Abscheidung in Klasse A und B).

Vorgaben gibt es auch für die maximale Konzentration von Keimen; diese werden auf Agar-Platten als Luftkei- me oder über Abklatsch von Oberflächen (Wände, Boden, Türen, Maschinen, Hände von Mitarbeitern) gesam- melt, dann bebrütet und ausgezählt. Je nach GMP-Klasse sind hier ebenfalls Maximal-Grenzen einzuhalten.

Zwischen Räumen unterschiedlicher GMP-Klassen muss eine Druckdifferenz von 10 Pa durch die Klimaanlage sichergestellt werden, um bei geöffneten Türen Luftströmung aus dem unreinen in den reineren Bereich zu vermeiden. Diese Drücke sind nur dann problemlos erzielbar, wenn der Baukörper (Wände, Decken, Fenster und Türen / Tore) „dicht“ ist. Die Druckstufe wird i.d.R. so geregelt, dass die Zuluft konstant gehalten und die Abluft über Volumenstromregler so gesteuert wird, dass die entsprechende Druckdifferenz gehalten wird.

Um vorhandene Partikel und Keime in den Reinräumen zu minimieren, sind zusätzlich bestimmte Luftwechsel- zahlen in Reinräumen erforderlich (jedoch nicht mehr explizit vorgeschrieben. Entscheidend ist, die Vorgaben für Partikel und Keime und Erholzeiten < 20 Minuten in den Reinräumen einzuhalten); diese Luftwechselzahl sagt aus, wie oft pro Stunde die Luftmenge in einem Reinraum durch die Klimaanlage erneuert wird. Für Rein- räume nach GMP gelten nachfolgende Empfehlungen:

Reinraumklasse ISO 5 / GMP B ISO 7 / GMP C ISO 8 / 100.000 / GMP D
Luftströmungsart Turbulente Verdünnungs- oder Mischströmung
Luftwechsel / h 30 – 70 fach 25 – 40 fach 10 – 20 fach ( Empfehlung )

Die Zu- und Abluftführung ist so zu planen, dass optimale Raumdurchströmung von Zu- zu Abluft erzielt wird; in höherwertigen Reinräumen ist daher weitgehende bodennahe Abluft erforderlich. Die Luftführung kann mit einer Strömungsvisualisierung (Nebelgenerator) überprüft werden.

Glatt, ohne Risse, keine Partikel abgebend, leicht zu reinigen und zu desinfizieren, beständig gegen Reinigungs- und Desinfektionsmittel und gegen die im Betrieb eingesetzten Stoffe; möglichst flächenbündige Übergänge zwischen Elementen (gilt auch für Fenster und Zargen); keine versteckten oder unzugänglichen Hohlstellen.

Das bedeutet:

Keine Kanten, Vorsprünge und Nischen in und auf denen sich Staub ablagern kann; horizontale Flächen mög- lichst vermeiden; Boden-/Wandübergang durch Hohlkehle; sonstige Übergänge verfugt durch Reinraumsilikon oder Acryl; Verwendung möglichst geprüfter und reinraumgeeigneter Komponenten; Bodenabläufe grundsätz- lich verschließbar; Holz möglichst zu vermeiden (Keimwachstum); ausreichend Inspektionsöffnungen; Hygienic Design berücksichtigen (schlecht zu reinigen sind z.B. Imbussschrauben); Heizung i.d.R. nur über Klimaanlage; Steckdosen und EDV Anschlüsse luftdicht und mit Staubschutzdeckeln, usw.

Produktberührende Oberflächen sind i.d.R. aus Edelstahl mit max. Rauhtiefe ≤ 0,8 µm.

Die geforderten Vorgaben für Reinräume müssen kontinuierlich oder regelmäßig wiederkehrend mit kalibrier- ten Messinstrumenten gemessen werden. Diese Methoden und zulässigen Messgeräte sind in den GMP- Richtlinien und der ISO EN 14644 -3 sowie der VDI 2083 festgelegt.

Folgende Parameter müssen i.d.R. geprüft und dokumentiert werden:

  • Zuluftvolumen und Ermittlung der Luftwechselrate
  • Zuluftgeschwindigkeit in Räumen / Bereichen der Klasse A
  • Messung der Partikelkonzentration in der Raumluft
    + kontinuierliche Messungen für Zone A gefordert und für Zone B stark empfohlen
    + regelmäßig wiederkehrende Messungen in Zone C (stündlich – monatlich) und D (täglich – jährlich)
  • Prüfung des Raum-Differenzdrucks zu angrenzenden Räumen oder zur Atmosphäre
  • Leckprüfung am eingebauten Filtersystem (Filterintegrationstest)
  • Dichtsitzprüfung des Filters
  • Prüfung der Luftströmungsrichtung und Sichtbarmachung der Strömung
  • Prüfung der Raumtemperatur und der relativen Raumfeuchte
  • Prüfung der Erholzeit
  • Prüfung der Beleuchtungsstärke
  • Prüfung der Konzentration an Luftkeimen
  • Prüfung der mikrobiellen Konzentration an ausgewählten Messpunkten und auf allgemeine und spe- zielle Keime auf Oberflächen

Beispiele aus der Praxis für geforderte Tests und max. zulässigen Requalifizierungsfrequenzen sind nachfolgend dargestellt:

Art der Prüfung Requalifizierungsfrequenzen
1 – 6 Monate 6 – 12 Monate 24 Monate und länger
Konzentration luftgetra-
gener Partikel
(Klasse A kontinuierlich)
Klasse B at rest
Klasse B in operation
Klassen C und D at rest
Luftgeschwindigkeit Klasse A at rest Klassen B – D fakultativ
Luftvolumenstrom Luftwechselrate Klasse A at rest Klassen B – D fakultativ
Raumdifferenzdruck Klassen A – D
kontinuierlich
Klassen A – D at rest, falls
nicht kontinuierlich
Filter-Leckageprüfung Klassen A und B at rest Klassen C und D at rest
Temperatur und r.F. Alle Klassen fakultativ
Erholzeit Klassen A und B at rest Klassen C und D at rest
Strömungsvisualisierung Alle Klassen fakultativ

Die zulässigen maximalen Requalifizierungsintervalle und erforderlichen -tests sind prozess- und risikobasiert und daher mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzustimmen.

Reinräume und Anlagen nach GMP müssen qualifiziert, Reinraumprozesse validiert werden. Die Qualifizierung erfolgt i.d.R. nach dem V-Modell. Qualifizierung ist der dokumentierte Nachweis, dass die Anlage für den vor- gesehenen Zweck geeignet ist. Es gibt folgende Stufen:

  • Lastenheft (URS user requirement specification): beschreibt die Nutzeranforderungen. Lastenheft wird durch Nutzer erstellt. Erkenntnisse aus der Risikoanalyse sollen in die Anforderungen des Lastenheftes einfliessen.
  • Pflichtenheft (FSD functional specification document) beschreibt wie die Anforderung aus dem Lasten- heft gelöst wird. Pflichtenheft wird durch Lieferanten erstellt.
  • Risikoanalyse (risc assessment) ist eine Methode, Gefahren für Bediener und Produkt aufzufinden und durch frühzeitige Gegenmaßnahmen zu unterbinden; z.B. FMEA, HAZOP, HACCP. Die Risikoanalyse auf der Basis detaillierter Prozessabläufe ist das wesentliche Tool, um die Hauptgefahren der Prozesse zu identifi- zieren, zu bewerten und gezielte Gegenmaßnahmen zu treffen.
  • Qualifizierungs- und Validierungsmasterpläne beschreiben Vorgehen und Organisation bei Qualifizie- rungs- und Validierungsmaßnahmen. Jede Qualifizierungsstufe läuft nach dem Schema „Plan, Report und Bericht“; die nächste Stufe beginnt erst, wenn der Bericht der vorhergehenden Stufe freigegeben ist.
  • Design Qualifizierung (DQ): dokumentierter Nachweis der GMP-Konformität der Planung und Lieferdo- kumente.
  • Installations-Qualifizierung (IQ): dokumentierter Nachweis der richtigen Installation.
  • Funktions-Qualifizierung (OQ): dokumentierter Nachweis des richtigen Funktionierens.
  • Leistungs-Qualifizierung (PQ): dokumentierter Nachweis der geforderten Leistung.
  • Kalibrierung: dokumentierter Nachweis, dass Messinstrumente „richtig“ arbeiten.
  • Justierung: Nachstellen von Messinstrumenten auf den richtigen Wert.
  • Wartung: GMP-Forderung, um die Funktionsfähigkeit von GMP-relevanten Anlagen zu gewährleisten.
  • Prozessvalidierung: dokumentierter Nachweis, dass der vorgesehen Prozess zu reproduzierbar sicheren Ergebnissen führt.
  • Reinigungsvalidierung: dokumentierter Nachweis, dass das vorgesehene Reinigungsverfahren zu analy- tisch „sauberen“ Ergebnissen führt.

SOP steht für Standard Operating Procedure (Arbeitsanweisung). Alle Maßnahmen wie Herstellungsprozesse, Qualitätskontrollmethoden, Bedienungsanweisungen, Reinigungsanweisungen, usw. in einem GMP-Betrieb sind in Form interner SOPs zu beschreiben und die Mitarbeiter danach zu schulen. SOPs werden mit der Frei- gabe durch den Herstellungsleiter oder Qualitätskontrollleiter gültig.

Akzeptanzkriterien im Sinn von GMP sind messbare Größen, die im Zuge der Qualifizierung und des Monitorings erreicht werden müssen um sicherzustellen, dass Prozesse in sicherer Umgebung ablaufen. Zur weiteren Sicherung der Prozesse werden Warn- und Aktionslevel nach statistischen Methoden festgelegt, bei deren Erreichen bestimmte Aktionen ausgelöst werden.

Beispiel für Überwachung des Differenzdruckes eines Reinraumes:

  • Akzeptanzkriterium:
    • 15 ± 5 Pa Druckunterschied zu Nachbarraum; damit sind Drücke zwischen 10 und 20 Pa akzeptiert
  • Warnlevel:
    • z.B.: Mittelwert der Messergebnisse ± 2 x Standardabweichung oder: Unterschreiten von 10 Pa oder Überschreiten von 20 Pa für länger als z.B. 5 Minuten. Maßnahme: Prüfen, ob Türen geschlossen sind bzw. Systemstörung des Monitorings vorliegt.
  • Aktionslevel:
    • z.B. Mittelwert der Messergebnisse ± 3 x Standardabweichung oder: Unterschreiten von 10 Pa oder Überschreiten von 20 Pa für länger als z.B. 10 Minuten. Maßnahme: Alarm und prüfen, ob Klimaanlage funktioniert.